Geschichte deutscher Spielemagazine - Teil 1

Die 80er: TeleMatch, Happy Computer, Power Play, ASM und Co.

Gastautor Benedikt Plass-Fleßenkämper reist in seiner Artikelreihe durch 40 Jahre Spielejournalismus. Im ersten Teil dreht sich alles um die Pioniere der deutschen Games-Magazine.

Christian , vor 6 Jahren

Zeitsprung in die frühen 1980er-Jahre: Computer- und Videospiele stecken noch immer in den Kinderschuhen, gewinnen dank Arcade-Meilensteinen wie Pac-Man, Space Invaders oder Donkey Kong, Videospielsystemen wie dem Atari VCS, dem Intellivision von Mattel und der ColecoVision sowie Heimcomputern wie Sinclair ZX Spectrum, Commodore VC 20 oder Apple II jedoch immer mehr an Popularität. Daher ist es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten reinen Spielemagazine auf den Zeitschriftenmarkt drängen.

Die Anfänge

Während in den USA im Spätherbst 1981 mit der Electronic Games und der Computer Gaming World (CGW) und in Großbritannien fast zeitgleich mit Computer & Video Games entsprechende Hefte an den Start gehen, beginnt die Geschichte der deutschen Spielemagazine erst Ende 1982: Die TeleMatch ist hierzulande die erste Publikation, die sich ausschließlich mit digitalen Spielen befasst. Die Redaktion übernimmt einerseits Inhalte aus der US-amerikanischen Electronic Games, erstellt aber auch viele eigene Artikel. Spiele werden in Tests nach dem Schulnotensystem bewertet, wobei es je eine Unterwertung für Kategorien wie Grafik, Sound oder Spielwitz gibt.

Obwohl das Heft nach heutigen Maßstäben ein klares Konzept vermissen lässt und speziell Titel mit Gewaltinhalten arg kritisch beäugt, mausert es sich zum begehrten Wissensobjekt für Konsolen- und Heimcomputerbesitzer der damaligen Zeit: Wer sich über Spieleneuheiten und -trends informieren möchte, kommt an der TeleMatch mangels Alternativen nicht vorbei.

TeleMatch: Der Pionier der deutschen Gameszeitschriften

TeleMatch: Der Pionier der deutschen Gameszeitschriften

Eine Besonderheit des Heftes ist, dass darin nur selten echte Bildschirmfotos zu sehen sind. Stattdessen erstellen die Macher schicke Illustrationen, die sich an den vorgestellten Spielen orientieren. Oder sie übernehmen gleich das offizielle Bildmaterial der Hersteller, die ihre oftmals aus klobiger Pixelgrafik bestehenden Werke zu dieser Zeit für PR-Zwecke stark aufhübschen.

Das Magazin wird im Laufe seiner bis Februar 1985 andauernden Lebenszeit zweimal umbenannt: Erst in Computer Software Magazin (Ausgabe 5/84 bis 10/84), dann in Computer-Praxis/TeleMatch (Ausgabe 11/84 bis 2/85). Nach 19 Ausgaben und einem Sonderheft zum Thema „Fantasy" ist jedoch Schluss.

Bis zu ihrem Aus ist die TeleMatch auf dem deutschen Spielezeitschriftenmarkt konkurrenzlos – auch, weil der Versuch des Ehapa Verlags, 1983 mit der TeleAction ein eigenes Games-Magazin zu etablieren, aufgrund ausbleibender Anzeigenkunden bereits nach zwei Ausgaben scheitert.

Es gibt in den 80ern zwar auch noch diverse Heimcomputermagazine, die Games kurz vorstellen oder abtippbare Spiele-Listings veröffentlichen – allen voran Homecomputer ab März 1983, 64er ab März 1984, Run ab Juni 1984 oder ST-Computer ab Januar 1986. Doch für den Boom der deutschen Spielemagazine sind zwei – streng genommen drei – andere Zeitschriften verantwortlich.

Die Initialzündung: ASM, Happy Computer, Power Play

Die Rede ist von der ASM (aktueller Software Markt), die 1986 beim nordhessischen Tronic Verlag startet sowie der Power Play vom Markt+Technik Verlag in Haar bei München, die aus der Computerfachzeitschrift Happy Computer hervorgeht.

Doch zuerst zur ASM: Das Multiformatmagazin, das unter dem langjährigen Chefredakteur Manfred Kleimann und Redakteur*innen wie Torsten Oppermann, Martina Strack, Hans-Joachim Amann und Carsten Borgmeier einen betont jugendlich-humoristischen Schreibstil pflegt und seine Mitarbeiter auf den im Heft abgedruckten Fotos oft lässig in Szene setzt, leistet wichtige Pionierarbeit für den deutschen Spielejournalismus. Anfangs noch als „Erste Computer-Software-Fachzeitschrift" beworben, nehmen Spieletests, -News, -Tipps und -Komplettlösungen für Systeme wie C64, Schneider CPC, Amiga, Atari ST, PC und die Konsolen von Sega und Nintendo bald an einen Großteil der Seiten ein. Kleinanzeigen und Leserbriefe rund um Spiele avancieren ebenfalls zu äußerst beliebten Rubriken. Zudem nutzt die ASM für ihre Spieletests von Anfang an ein nachvollziehbares Wertungssystem und benotet die besprochenen Titel in Einzelkategorien wie Grafik, Sound, Motivation und Preis/Leistung – erst nach einem Zehnersystem, ab Februar 1987 dann mit bis zu zwölf Maximalpunkten.

ASM 3/87: Völlige Begeisterung beim Defender of the Crown Test

ASM 3/87: Völlige Begeisterung beim Defender of the Crown Test

Die ASM wächst über die Jahre kontinuierlich; 1989 darf sich der Tronic Verlag über eine Auflage von über 100.000 verkauften Heften freuen. Das Magazin hält sich bis Ausgabe 2/95 und wird dann von seinem glücklosen Quasi-Nachfolger, der kurzlebigen PC Spiel, abgelöst.

Ein gewichtiger Grund für den nachlassenden Erfolg der ASM in den 1990er-Jahren ist der große Konkurrent, die Power Play. Diese muss im vorherigen Jahrzehnt bei ihrem Herausgeber Markt+Technik allerdings noch verzweifelt um ihre Daseinsberechtigung kämpfen – und vor allem erst einmal aus den Spieleseiten der seit Ende 1983 existierenden Happy Computer sowie dem ab Ausgabe 11/86 bestehenden Happy Computer Spiele-Sonderteil erwachsen.

Von November 1987 bis Juli 1988 erscheinen sechs Sonderhefte mit dem Titel Power Play. Dann wird die Power Play zu einer – wieder deutlich dünneren – Beilage der Happy Computer degradiert. Erst Anfang 1990 traut sich Markt+Technik, sie als eigenständiges Monatsmagazin zu verkaufen.

Das Editorial der ersten Power Play von 1987

Das Editorial der ersten Power Play von 1987

Dabei ist die Power Play von Beginn an eine Wohlfühloase für spielbegeisterte Heimcomputer- und Konsolenbesitzer: Die unter der Leitung von Happy-Computer-Chefredakteur Michael Lang sowie der aus Heinrich Lenhardt, Boris Schneider, Anatol Locker und Martin Gaksch bestehende Redaktion nimmt das verspielte Medium sehr ernst und berichtet ebenso kompetent wie unterhaltsam über die neuesten Hits und Flops für sämtliche damaligen Gaming-Plattformen. Entwicklerreportagen, Messeberichte, Ratgeber, „Power-Tipps", Leserbriefe sowie der humorvolle „Starkiller"-Comic von Zeichner Rolf Boyke runden das Magazin gebührend ab.

Nutzt die Redaktion bei ihren Spieletests für Grafik, Sound und Endnote („Power Wertung" genannt) anfänglich noch ein Zehnersystem mit 0,5er-Zwischenschritten, etabliert sie – inspiriert von englischen Magazinen wie Crash und Zzap!64 – schon früh das 100er-Wertungssystem, das auch heute noch bei vielen Spielemagazinen- und Webseiten zum Einsatz kommt. Zum Kult werden zudem die legendären Wertungsfratzen der Redakteure, die die Meinungskästen der Tester zieren und mit Sprechblasen wie Super!, Gut!, Geht so oder gar Hilfe! die Emotionen der Tester untermalen.

Die Erstausgabe des Club Nintendo Magazins: Ohne Umlaute, dafür Rechtschreibfehler

Die Erstausgabe des Club Nintendo Magazins: Ohne Umlaute, dafür Rechtschreibfehler

Das begehrte „Besonders empfehlenswert"-Prädikat, das mit Ausgabe 3/89 Einzug hält und Top-Titel wie späte 80er-Jahre-Meilensteine à la Indiana Jones and the Last Crusade adelt, wird ebenfalls ein fester Bestandteil der Testrubrik – genau wie die berüchtigte "Power-Gurke" für besonders miese Spiele, die jedoch erst mit Ausgabe 4/90 eingeführt wird.

Wie schon erwähnt, wird die Power Play erst Anfang 1990 zum separaten Monatsmagazin, weshalb sie im nächsten Teil dieser Artikelreihe noch einmal gewürdigt wird.

Und was gab es noch?

Happy Computer/Power Play und ASM sind zwar die alles dominierenden deutschen Spielemagazine der späten 80er, doch auch andere Zeitschriften dieser Epoche verdienen zumindest eine ausführliche Erwähnung. Da wären zum einen das zweimonatlich erscheinende Club Nintendo Magazin, das von Nintendo selbst herausgegebene Heft für Clubmitglieder rund um Produkte des japanischen Konzerns (Erstausgabe 1/89). Es wird bis 1994 von Ron Lakos – Ex-Marketing-Manager bei Sony, heute bei Microsoft tätig – als Chefredakteur betreut. Club Nintendo ist als offizielle Nintendo-Publikation zwar alles andere als kritisch und hat auch keine bewerteten Spieletests an Bord, für Nintendo-Fans ist das Magazin dennoch eine probate Informationsquelle.

Du willst mehr wissen?

Du bist auf den Geschmack gekommen und hast nun richtig Lust in alten Heften zu schmöckern? Dann sind diese webseiten für dich die beste Anlaufstelle:

kultboy.com |kultmags.com |kultpower.de

Zum anderen muss an dieser Stelle auch noch der mit Ausgabe 11/89 gestartete Amiga Joker genannt werden – das erste reine Amiga-Spielemagazin Deutschlands, das gerade noch ins Jahrzehnt reinrutscht. Wer mehr über das Heft und seine Entstehungsgeschichte erfahren möchte, liest unsere Reportage anlässlich des 30-jährigen Jubiläums des Amiga Jokers, die Ex-Chefredakteur Richard Löwenstein verfasst hat.

Das war der erste Teil zur Geschichte der deutschen Spielemagazine. Im nächsten Artikel beleuchten wir die erste Hälfte der 1990er-Jahre, die Kulthefte wie PC Player, PC Joker, PC Games, Video Games und Man!ac hervorgebracht hat.

Über den Autor

20 Jahre im Spielebusiness und immer noch fit wie ein Turnschuh: Benedikt

20 Jahre im Spielebusiness und immer noch fit wie ein Turnschuh: Benedikt

Benedikt Plass-Fleßenkämper, Jahrgang 1977, arbeitet als freier Spielejournalist und leitet seine eigene Medienagentur. Als ehemaliger Chefredakteur des Multiformatmagazins fun generation ist er seit über 20 Jahren Teil des deutschen Spielezeitschriftenmarkts und hat für so ziemlich jede existierende und nicht mehr bestehende deutschsprachige Games-Publikation getextet.

Heute schreibt er unter anderem für Spiegel.de, Golem.de und PC Games. Zudem betreibt er den Podcast Games Insider, in dem er mit seinen Kollegen Olaf Bleich und Sönke Siemens über seinen Beruf, die Gamesbranche sowie aktuelle und klassische Computer- und Videospiele plaudert – und auch über den Aufstieg und Fall der deutschen Spielemagazine (feat. Heinrich Lenhardt).

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Spielemagazine  Power Play  ASM  Happy Computer  TeleMatch 


4 Kommentare

PascalParvex
PascalParvex, vor 6 Jahren

Ach ja, das waren Zeiten. Ich bin leider erst mit der Power Play 7/1992 eingestiegen, dann aber dem Heft bis zum Ende treu geblieben.

suicidefrog
suicidefrog, vor 6 Jahren

Hallo,

jetzt braucht unser retroplace nur noch einen Marktplatz für "alte" Videospiel / PC Magazine...
Dann wäre alles komplett unter einem Dach. :)

Viele Grüße

Armin
Armin, vor 6 Jahren

Hahaha … wer weiß, wer weiß …

suicidefrog
suicidefrog, vor 6 Jahren

Bin diesbezüglich "noch" bei kultboy.com... Würde ich aber gerne ändern


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